Lernagenturen: “Eine Simulation unter echten Bedingungen”
Wie Studierende Kunden aus der freien Wirtschaft von ihren Konzepten überzeugen und dabei nicht nur etwas für die Uni lernen.
Ein Beitrag von Nardos Kesete & Eileen Pechler
Mittwoch, 11. Januar 2017
Onlinekommunikation
Der Mediencampus der Hochschule Darmstadt zeichnet sich nicht nur durch seine vielfältigen Studiengänge aus, sondern auch durch seine praxisbezogenen Projekte. Gerade in diesen können die Studierenden ihrer Kreativität freien Lauf lassen und kommen oftmals zu besseren Ergebnissen als in klassisch organisierten Veranstaltungen.
Ein Beispiel: Im dritten Semester haben die Studierenden des Studiengangs Onlinekommunikation die Chance, ihr Wissen und Können auf die Probe zu stellen. Ein Semester lang arbeiten sie gemeinsam in kleinen Gruppen in einer Lernagentur. Doch was ist eine Lernagentur überhaupt und welche Vorteile bringt diese Lehrmethode mit sich?
Um diese Fragen beantworten zu können, wird dieses projektorientierte Modul aus zwei Sichten erklärt: Zum einen von einem Studierenden, zum anderen von einem erfahrenen Profi aus der Agenturszene. Attila Söder ist Berater bei JP│KOM und unterstützt die Gruppen durch seine wertvollen Erfahrungen und Tipps.
Was ist eine Lernagentur?
Fangen wir von vorne an. Das gesamte Studium der Onlinekommunikation beinhaltet mehrere Lernagenturen. Die ersten finden bereits im dritten Semester statt, nachdem die Studierenden sich mit den Grundlagen befasst haben. Die fachliche Vertiefung der Lernagentur kann von den Studierenden je nach eigenem Interessenschwerpunkt belegt werden. Zur Auswahl stehen dabei neben Public Relations und Marketing auch Corporate Learning. Innerhalb jeder Lernagentur werden die Studierenden erneut in kleine Gruppen aufgeteilt und arbeiten so in Teams aus etwa vier bis sechs Studierenden an realen Projekten mit echten Kunden.
Die Kunden kommen oft aus dem Gesellschafts- oder Wirtschaftsraum. Diese stellen ihre Anforderungen und Ziele vor, welche die Teams eigenständig umsetzen sollen. Damit diese nicht ganz alleine stehen, bekommen sie reichlich Unterstützung durch die Dozenten oder die Unternehmen selbst. Agentur-Profi Attila Söder versteht die Lernagenturen als eine “Simulation unter echten Bedingungen”, welche dennoch dem Alltag einer Agentur sehr ähnelt. Es gibt echte Kunden, echte Aufträge und echte Konzepte. Die Tatsache, dass es für die Lernagentur einen festen Tag in der Woche gibt, begeistert ihn sehr.
Wie genau sieht diese aus?
Nach einem ausführlichen Briefing und dem ersten Kennenlernen mit dem Kunden geht es für die Studierenden gleich los. Innerhalb der Teams müssen Rollen verteilt werden: Wer wird Projektleiter? Wer ist für sämtliche Recherchearbeiten zuständig? Wer hält die Abschlusspräsentation? Dies sind nur wenige der zahlreichen Aspekte, die zu Beginn geklärt werden müssen.
Sind diese Fragen vom Tisch, muss das gesamte Team hart arbeiten und sein Können unter Beweis stellen. Anfangs werden die komplexen Aufgabenstellungen intern erläutert, zahlreiche Brainstormings finden statt, Analysen, Recherchen und noch mehr Analysen müssen durchgeführt werden. Es ist eindeutig, dass hier ein gutes Zeitmanagement und eine gute Planung die Voraussetzungen sind. Anschließend müssen die Studierenden Strategien und Taktiken entwickeln, um ein vollständiges Konzept fertigzustellen.
Innerhalb der Präsenzzeit ist für die Lernagentur ein ganzer Tag am Mediencampus vorgesehen, sodass ein kontinuierliches Arbeiten möglich ist. Doch auch außerhalb der Präsenzzeit treffen sich die Studierenden regelmäßig, um den hohen Anforderungen an ihr Konzept innerhalb der kurzen Zeit gerecht werden zu können. Mehrere Zwischentermine mit den Kunden ermöglichen ein genaueres und einheitliches Verständnis beiderseits.
Die Projekte: Echte Kunden, echte Aufträge und echte Konzepte
Das Hauptthema der Lernagentur PR ist in diesem Wintersemester die Kampagnenentwicklung. Zwei der drei Kunden kommen aus dem Finanzleistungssektor, beim letzten handelt es sich um eine Non-Profit-Organisation.
Targobank
“So geht Bank heute”. Mit diesem Claim zeigt die Targobank, wie eine gute Bank heutzutage auszusehen hat. In ihrer langfristig angelegten Initiative setzt sie sich mit ihren Kunden und ihren Träumen auseinander. Die bereits bestehende Kampagne “Echte Träume” soll von den Studierenden weiterentwickelt werden. Die zu entwickelnde Online-Kampagne soll vernetzte Kundenprozesse aufgreifen und auf strategischer Weise eine Botschaft vermitteln.
Nun heißt es echte Arbeit für echte Träume.
Allianz SE
Der große Versicherungskonzern bietet seinen Kunden nicht nur Dienstleistungen, sondern in der Kommunikation unter anderem auch ein exklusives Kundenmagazin. „1890“ lautet der Name des Premiummagazins der Allianz, welches von den Redakteuren des Unternehmens erstellt wird. Dennoch ist dieses ausschließlich als Printausgabe erhältlich und nur für Premiummitglieder zugänglich. Die Studierenden sollen ein Digital Branding-Konzept entwickeln und mit Hilfe einer Szenarioanalyse die Zukunft des Magazins mit bestimmen. Print, Online oder doch beides?
Bildungsstätte Anne Frank
Die Frankfurter Bildungsstätte bietet ihren Besuchern viele Ausstellungen und Informationen, die sich mit zahlreichen Themen rund um Anne Frank beschäftigen. Um weiterhin attraktiv zu bleiben, wird das Haus renoviert. Dies hat zur Folge, dass ein Jahr lang keine Ausstellung stattfindet. Damit die Kommunikation nicht zum Erliegen kommt, sollen die Studierenden ein Konzept für die Zwischenzeit und die Wiedereröffnung erarbeiten. Ein ausgereifter Online-Auftritt ist hierbei nur der Anfang.
Attila Söder sieht diese großen Aufgaben nicht als Selbstläufer, ist sich aber sicher, dass die Studierenden diese gut umsetzen werden. Er sieht eine große Ähnlichkeit zwischen den Anforderungen in der Lernagentur und in einer realen Agentur. Dort gäbe es zwar kein ganzes Semester lang Zeit zur Umsetzung eines Konzeptes, dafür aber Fachexperten für den jeweiligen Bereich. Weiterhin verrät er, dass er in seiner Agentur dieselben theoretischen Grundlagen und methodischen Tools verwendet wie die Studierenden. Ganz ähnlich verhält es sich mit den anderen Lernagenturen im Studiengang.
Warum gibt es die Lernagenturen und sind diese wirklich nützlich?
Bei den Lernagenturen geht es vor allem um eines: realistische und gute Kompetenzen zu entwickeln.Während der gesamten Gruppenarbeit sammeln die Studierenden viele Erfahrungen und erweitern ihren Wissensstand. Hier haben sie die Chance, einen Grundstein für ihre Zukunft zu legen. Söder rät selbst zu einem Berufseinstieg in einer Agentur direkt nach dem Studium. Für ihn sei es “die beste Karriereentscheidung, die man treffen kann”. Neben der fachlichen und persönlichen Weiterentwicklung können viele Softskills vermittelt werden. Gerade das lernen auch die Studierenden, die nach der Anfangsphase bereits kleine Experten in ihrem Feld geworden sind. Dies ermöglicht ihnen sich mit der Thematik auf einer komplexeren Ebene auseinanderzusetzen. “Ich finde besonders beeindruckend, wie wenig Berührungsängste die Studierenden gegenüber ihren Kunden aus der Praxis haben”, schwärmt Söder. Der Agenturberater legt den Studierenden besonders ans Herz, keine Angst zu haben – weder vor dem Unbekannten, noch vor Ideen, die scheitern könnten.
Die Lernagenturen sind eine einzigartige Vorbereitung auf das anstehende Berufsleben. Neben den fachlichen und methodischen Kompetenzen lernen die Studierenden vor allem eins: lebenslanges Lernen.
Attila Julian Söder ist seit 2015 Berater bei der Agentur JP│KOM in Düsseldorf. Zu seinen Kunden gehören vor allem nationale und internationale Finanzdienstleister. Die Agentur befasst sich hauptsächlich mit der Unternehmenskommunikation, Veränderungskommunikation, B2B-Kommunikation und Digitale Transformation. www.jp-kom.de