Wiesen sind nicht sehr gesprächig, oder? Quatsch! Hier erfährst du, wie uns Wiesen & Pflanzen ganz viel über sich und Biodiversität beibringen.
Ein Studienprojekt von Edwin Vogel, Kevin Ortmeier und Tom Patri
4. Semester, 2023
Betreuende Dozenten: Prof. Dr. Sebastian Pranz und Jakob Vicari
Onlinekommunikation
Eine keimende Idee
Seit Tagen 30°C, eine bedrohlich niedrige Bodenfeuchtigkeit und der Boden unter uns ist bereits steinhart. Wir halten uns tapfer, doch einige lassen die Köpfe hängen. Erst Ende des Monats soll es regnen. Nun ist es an der Zeit, mit den Menschen zu kommunizieren. Doch wie schaffen wir es, die Sprache der Natur für die Menschen zu übersetzen?
Sensoren, sorgfältig in unserem Boden platziert, lesen unsere vitalen Zeichen – Temperatur, Feuchtigkeit und mehr. Sie sind unsere Stimme, unsere Möglichkeit, den Menschen zu sagen, wie es uns geht und ihnen klarzumachen, wie unsere Welt der Biodiversität funktioniert.
Sie sind der Schlüssel zu einem tieferen Verständnis und einer stärkeren Bindung zwischen Mensch und Natur. Sie sind der Beginn eines Dialogs – eines Pflanzendialogs.
Wiesenarten entdecken und kennenlernen
Doch was bringt Sprache, wenn man sie nicht übersetzen kann? Wir als Onkomm-Studierende des vierten Semesters haben uns dieser unkonventionellen Frage gestellt. Um das Verhalten und die Daten verschiedenster Pflanzen zu verstehen, müssen wir sie zunächst kennenlernen.
Der Startschuss mit BioDivKultur, ein Projekt zur Förderung von Biodiversität auf Grünflächen, bereitete uns mit ihrem Freilandlabor auf die kommenden Wochen vor.
Wenig später standen an unserem Campus drei verschiedene Wiesen, die wir für das Projekt untersuchen: Die Frischwiese, Fettwiese und Magerwiese.
Jede dieser Wiesen hat ihre eigenen Eigenheiten und reagiert unterschiedlich auf die Umweltbedingungen. Die Magerwiese, robust und widerstandsfähig, trotzt den hohen Temperaturen und der geringen Feuchtigkeit. Die Fettwiese, reich an Nährstoffen, zeigt ein üppiges Wachstum, während die Frischwiese, die eine konstante Feuchtigkeitszufuhr benötigt, unter der Trockenheit leidet.

Die drei Beete zu Beginn des Projektes. Noch nichts gewachsen.
Unsere Teams
Aufgeteilt in vier Teams, verfolgten wir vier verschiedene Ideen, dennoch das gleiche Ziel: den Wiesen eine Stimme zu geben.
OnlyPlants
“OnlyPlants” hat sich auf einen Chatbot auf WhatsApp konzentriert. Im Fokus steht, sowohl zu unterhalten als auch zu informieren und den Nutzer*innen dabei ein Gefühl für Biodiversität zu vermitteln. Vor allem die Interaktion zwischen dem User und der Wiese soll herausstechen und das Thema greifbar machen. Das Vorhaben soll auch auf Twitter begleitet werden, wo die Wiesen ebenso aus eigener Sicht über ihren “Gemütszustand” tweeten.
Doch jeder Anfang ist schwer – die Studierenden müssen sich durch das Dickicht des Unbekannten kämpfen! Man stellte sich viele Fragen: “Wie vermenschlicht man Wiesen? – Wie charakterisiert man Wiesen?” Doch nicht nur die Pflanzen sind schwer verständlich. Das Verhalten von Menschen kann genauso unvorhersehbar sein. Bei “OnlyPlants” ist der Chatbot offen gestaltet, es gibt keine vorauswählbaren Antwortmöglichkeiten. “Wie antworten Menschen?” – die nächste Frage. Die Teammitglieder erlangten neue Verständnisse über die Ausdrucksweise und verwurzelten diese Erkenntnisse in ihrem neu gebauten Chatbot. Dieser fungiert nun als Dolmetscher und bringt die zwei Welten zusammen.
PlantWhisper & Plantfluencer
Zwei weitere Gruppen, “PlantWhisper” und “Plantfluencer”, entschieden sich auch, den Wiesen unsere Sprache beizubringen. Chatbots sind wieder einmal der Nährboden ihres Erfolgs. Die beiden Gruppen stießen auf ähnliche Herausforderungen wie “OnlyPlants”. Auch der Zeitdruck sorgte für erhöhte Stresspegel. Aber keine Sorge, Erfolg wurde schon verzeichnet – die Wiesen sprachen schnell ihre ersten Worte! “PlantWhisper” setzt, im Gegensatz zu der ersten Gruppe, auf eine Mischung aus vorgegebenen und freien Antworten. Ihr Chatbot soll demnächst auf einer eigenen App laufen. Modern und einfach gestaltet, geben die Wiesen Infos zu ihren aktuellen Situationen preis. Aus der Idee gewachsen ist bisher ein voll funktionsfähiger und klickbarer Prototyp in Figma.
Die Gruppe “Plantfluencer” geht nochmal einen etwas anderen Pfad. Hier wird die Natur zu Influencern. Ganz klassisch auf Instagram sind die drei Wiesen anzutreffen. Jede hat ihren eigenen Charakter und postet ihren “Lifestyle”. Aber auch DIYs, über BioDiv werden gepostet, sodass die Menschen proaktiv an die Sache ran gehen. Auf dem Profil verlinkt ist der Chatbot, mit dem die Menschen persönlich mit den verschiedenen Wiesen chatten können.
Hier gelangt ihr zu der “Plantfluencer” Instagram Seite: www.instagram.com/die_plantfluencer/
Plantogram
Die Herangehensweise der Gruppe ‚Plantogram‘ war völlig anders. Ihr Ziel ist es, das Wohlbefinden der Wiesen visuell zu kommunizieren. Eine Website soll den Tagesablauf der Wiese anhand von Sensordaten darstellen. Im Laufe des Tages und darüber hinaus, entsteht ein fortlaufendes Pixelbild. Das Eintauchen in die Vergangenheit ist mithilfe historischer Daten möglich. So kann der aktuelle Tag mit dem vor 20 Jahren verglichen werden.
Morgens: “16 °C und 80 % Luftfeuchte. Chillig, das gefällt mir (noch)…” – Ein hellroter Pixel. Vormittags: “25 °C und 50 % Luftfeuchte, schon so heiß!? Ich hoffe es regnet bald und wird wieder kühler.” – Ein roter Pixel. Nachmittags: “31 °C und nur noch 45% Luftfeuchte, ich glaub ich geh ein…” – Ein dunkelroter Pixel.
Durch das entstandene Pixelbild lässt sich sofort erkennen, wie es der Wiese geht. Emojis geben den Gefühlen der Wiese ein Gesicht.
Herausfordernd war, sich auf eine leicht verständliche Darstellung der Daten zu entscheiden und diese dann visuell darzustellen und umzusetzen.

Das durch die Sensordaten (vorläufig) entstandene Pixelbild.
Wie wächst es weiter?

Die drei Beete aktuell. Voller grün!
Ganz spannend wird es, wie es nach unserem Projekt weitergeht. Die Pflanzen haben gesprochen und wurden erhört! Die Stiftung WPK Innovationsfonds hat sich dazu entschieden, das Projekt anschließend fortzuführen. Auf einem viertägigen Event in Lüneburg, diesen September, wird eines der vier Konzepte ausgewählt und zur vollständigen Reife geführt. Sobald das fertige Ergebnis erblüht, wird es in dem Bioversum in Darmstadt Kranichstein als dauerhafte Ausstellung eingerichtet. Ein riesiger Erfolg!
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Pflanzendialoge mehr als nur ein Projekt sind. Sie sind ein Gespräch zwischen Mensch und Natur, gefördert durch Technologie. Es war ein ganz besonderes Erlebnis für uns Studierende. Etwas abseits der regulären Studieninhalte: dem Marketing, dem Designen, den Kennzahlen, der üblichen Kommunikation – kreatives Denken neu gedacht! Kommunikation neu gedacht!