Wie und aus welcher Motivation binden Medienunternehmen CSR in ihre Unternehmensstrategie ein?
Ein Forschungsprojekt von Annkathrin Clemens und Josephine Franz
6. Semester, 2019
Betreut durch Prof. Dr. Lars Rademacher und Stefan Dobler
Onlinekommunikation
Problemstellung des Forschungsthemas
In den letzten Jahren ist das Thema der sozialen, ökonomischen und ökologischen Verantwortung von Unternehmen immer wichtiger geworden. Dies wird unter dem Fachbegriff Corporate Social Responsibility (CSR) zusammengefasst und ist in den Kommunikations- sowie Wirtschaftswissenschaften als Forschungsthema gewachsen. Bei genauerer Betrachtung und Recherche zur Einbindung von CSR in Unternehmen kommen schnell Fragen auf: Gibt es Regeln für CSR-Aktivitäten und unter welchen Umständen beginnen Unternehmen CSR in ihre Strategie einzubinden? Welche Instrumente gibt es und was sind die Mechanismen von CSR?
Betrachtet man Medienunternehmen, werden diese Fragen noch komplexer, denn ihre Produkte (Zeitungen, TV-Sendungen, Filme etc.) sind nicht nur ein wirtschaftliches Gut, sondern – per Gesetz – auch ein Kulturgut und haben einen besonderen „Wert“ für die Gesellschaft („Public Value“). Den Medienunternehmen wird neben einer journalistischen Verantwortung eine sogenannte „doppelte Verantwortung“ zugeschrieben. Zum einen die Verantwortung zur Gewährleistung ihrer journalistischen/redaktionellen Inhalte, zum anderen die Verantwortung für die Gesellschaft und die Umwelt. Wir haben festgestellt, dass immer mehr Medienunternehmen CSR in ihre Unternehmensstrategie integrieren und sich Programme auflegen, um den Public Value zu argumentieren. Deshalb haben wir uns der Frage gewidmet: Mit welcher Motivation binden Medienunternehmen CSR ein und wie gehen sie dies strategisch an?
Literaturrecherche
Um sich der Forschungsfrage: “Wie und aus welcher Motivation binden Medienunternehmen CSR in ihre Unternehmensstrategie ein?” theoretisch zu nähern haben wir eine Literaturrecherche durchgeführt. Wir haben zum einen grundlegende Quellen zu CSR und Medienunternehmen herangezogen, zum anderen Literatur und Studien, die das Thema der Forschung bereits behandelt haben. Dabei sind uns vor allem die Studien von Philipp Bachmann und Isabel Bracker aufgefallen. Bachmann geht der Frage nach, wie Medienunternehmen ihrer publizistischen Verantwortung und gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden und so handeln können, dass ihr Organisationserfolg unterstützt wird. Bracker hat neben der Wahrnehmung von gesellschaftlicher Verantwortung von Medienunternehmen ebenso deren öffentliche Kommunikation über Verantwortung einbezogen. Aus diesem Forschungsstand ergab sich für diese Studie eine Fokussierung auf die Motivation und Strategie hinter dem Einsatz von CSR-Maßnahmen.
Aus der Recherche haben sich folgende Unterfragen ergeben:
1. Was sind die Hauptziele und Beweggründe für die Einbindung von CSR in die Unternehmensstrategie und die Durchführung von CSR-Maßnahmen?
2. Hat die CSR-Strategie auf unternehmerischer Ebene auch Einfluss auf die Produktion von Inhalten?
3. Unterscheiden sich die Strategie und Verknüpfung ins Kerngeschäft von CSR in privaten und öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen?
4. Kann man die CSR-Strategie von Medienunternehmen typologisieren?
Methodik
Als Forschungsmethode entschieden wir uns für teilstandardisierte qualitative Experteninterviews, die durch einen Leitfaden gestützt und mit verantwortlichen Mitarbeitern in Medienunternehmen geführt wurden. Auf Grundlage der Forschungsfrage und den Unterfragen haben wir vier Fragenkomplexe definiert: Motivation, Strategie, Selbstverständnis, sowie Maßnahmen. Auf dieser Basis konnten wir einen Frageleitfaden für die Befragung entwickeln.
Zur Akquise der Interviewpartner recherchierten wir Medienunternehmen in Deutschland und kontaktierten dort per Mail konkrete AnsprechpartnerInnen in CSR- oder Kommunikationsabteilungen. Insgesamt wurden 40 MitarbeiterInnen in führenden Positionen in der Unternehmenskommunikation oder -führung in 26 unterschiedlichen Medienunternehmen (alle öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, alle bekannten und großen privaten Fernsehsender, Pay-TV-Anbieter, Große Verlagshäuser, Produktionsfirmen im Film- und Seriensektor) kontaktiert, wovon sieben zu einem Gespräch zusagten.
Die Interviews wurden telefonisch durchgeführt. Die Befragten haben die Fragen auf Nachfrage im Vorfeld von uns erhalten, um eine bessere Vorbereitung auf die Fragen zu ermöglichen. Die transkribierten Befragungen wurden anschließend nach Fragen und Hypothesen geclustert. Dabei haben wir Aussagen zusammengefasst und Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet. Um die Intercoder-Reliabilität zu gewährleisten, haben wir die Zuordnung unabhängig voneinander vorgenommen.
Ergebnisse
Was sind die Hauptziele und Beweggründe für die Einbindung von CSR in die Unternehmensstrategie und die Durchführung von CSR-Maßnahmen?
Die Erkenntnisse wurden in drei Ebenen unterteilt (gesellschaftliche, unternehmerische sowie Wirkungsebene). Auf der gesellschaftlichen Ebene lagen die Gründe hauptsächlich beim Verspüren einer wachsenden Legitimationspflicht bzw. der beabsichtigten Erhöhung der Glaubwürdigkeit gegenüber den eigenen Stakeholdern. Auf unternehmerischer Ebene wurden ein sich veränderndes Wettbewerbsumfeld, sowie veränderte Erwartungen aus dem Bewerbermarkt genannt, weshalb Medienunternehmen CSR für das Employer Branding einsetzen. Außerdem ist in einigen befragten Unternehmen das Thema durch intrinsische Motivationen der Mitarbeiter gewachsen. Auf der Wirkungsebene wollen die Medienunternehmen u.a. einen Wertbeitrag schaffen und mit ihren CSR-Maßnahmen eine ökologische und gesellschaftliche Verbesserung bewirken.
Hat die CSR-Strategie auf unternehmerischer Ebene auch Einfluss auf die Produktion von Inhalten?
Die CSR-Verantwortlichen haben teilweise bestätigt, dass sie sich mit ihren Redakteuren austauschen. Alle Medienunternehmen sind sich aber einig, dass sie Journalisten, Redakteuren oder Drehbuchautoren keine Themen vorgeben, da dies dem publizistischen Anspruch widerspricht und nicht das Ziel hinter dem Einsatz von CSR ist.
Eine Erkenntnis dieser Forschungsarbeit ist aber auch, dass nach einem Verständnis von Altmeppen CSR auf Unternehmensebene in Medienunternehmen nicht unbedingt etwas mit den inhaltlichen Erzeugnissen zu tun hat bzw. zu tun haben sollte und dass die Ebenen Medien bzw. Journalismus getrennt zu betrachten sind. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass nur vereinzelte der befragten CSR-Verantwortlichen diese wissenschaftliche Sichtweise verinnerlicht haben. Sie trennen in ihrem Verantwortungsverständnis und besonders dem CSR-Verständnis die journalistische nicht von der unternehmerischen Verantwortung. Teilweise liegt der Schwerpunkt der Verantwortungsübernahme primär auf den Produkten.
Unterscheiden sich die Strategie und Verknüpfung ins Kerngeschäft von CSR in privaten und öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen?
Die Medienunternehmen müssen losgelöst aus dem Kontext privat versus öffentlich-rechtlich betrachtet werden. Die Implementierung einer CSR-Strategie ist derzeit auf zu unterschiedlichen Ständen in den einzelnen Medienunternehmen – egal ob privat oder öffentlich-rechtlich – und wird dort nach unterschiedlichen Maßstäben praktiziert.
Grundsätzlich ist festzustellen, dass die öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen aufgrund der solidarischen Finanzierung durch Beitragsgelder sich immer in einer erhöhten Rechtfertigungspflicht sehen. Private Medienunternehmen sind in der Hinsicht freier in der Verwendung ihrer erwirtschafteten Gelder. Private Medienunternehmen scheinen das Thema CSR schon eher als strategisches Thema erkannt zu haben und setzen es ein bzw. stehen am Anfang einer professionalisierten Implementierung in die Unternehmensstrategie. Dennoch ist festzustellen, dass eines der öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen das Thema CSR schon sehr weit in die Unternehmensstrategie eingebunden hat und professionalisiert betreibt.
Kann man die CSR-Strategie von Medienunternehmen typologisieren?
Eine Typologisierung der CSR-Strategie fällt noch schwer und durch die Interviews konnte kein einheitliches Vorgehen der Medienunternehmen festgestellt werden. Derzeit befindet sich das Thema noch in zu vielen der befragten Unternehmen im Aufbau bzw. wird noch gar nicht strategisch angegangen. Es ist aber durchaus festzustellen, dass es vereinzelte Gemeinsamkeiten gibt und auch ein ähnliches Verständnis vorherrscht, nach dem Medienunternehmen bei der Umsetzung von CSR vorgehen. So nennen z.B. mehreren Interviewpartnern Arbeitsgruppen, über die das Thema zentral gesteuert und bearbeitet wird. In fast allen befragten Unternehmen liegt die Verantwortung für das CSR-Thema bei langjährigen Mitarbeitern und ist eher in einer höheren Unternehmensebene angesiedelt. In vielen Medienunternehmen wird dem Thema bereits mehr Zeit zur Verfügung gestellt bzw. es soll zukünftig geschehen und es wurden oder werden Stellen dafür geschaffen.