Zwei #Onkomm Studenten untersuchten im Rahmen ihrer Lernagentur 62 Interviews mit Agenturen. Wie sieht der Arbeitsplatz Agentur heute eigentlich aus?
Ein Text von Simon Gudat
6. Semester, 2019
Prof. Dr. Lars Rademacher & Stefan Dobler
Onlinekommunikation
Junge Kollegen, New Work, agile Teams, Verantwortung, interessante Aufgaben. Dem gegenüber: Stress, wenig Gehalt, lange Arbeitstage. Der Arbeitsplatz Agentur steht klischeehaft zwischen junger Dynamik und Ausbeutung, zwischen “cooler Kommunikation” und Hungerlohn. Gleichzeitig stehen kleine Agenturen als Arbeitgeber immer mehr im Konkurrenzkampf mit Startups, die ebenfalls jung und dynamisch wirken, flache Hierarchien bieten und viel Verantwortungsbewusstsein abverlangen.
Die Fachzeitschrift Werben & Verkaufen (W&V) hat im Rahmen einer Interviewreihe Agenturinhaber und HR-Chefs zu Themen wie Incentives, Arbeitsumfeld, Arbeitszeiten und Gehalt befragt. Sie wollte herausfinden, mit welchen Herausforderungen und Problemen Agenturen im Bezug auf die Akquise neuer Mitarbeiter zu kämpfen haben, was die Kollegen in den Unternehmen hält, auf welchem Niveau sich durchschnittliche Einstiegsgehälter befinden und welches Gewicht einer “guten” Unternehmenskultur zugeschrieben wird.
Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden die Texte von 62 Interviews, geführt über einen Zeitraum von zwei Jahren, codiert und quantitativ analysiert. Neben der Erfassung demografischer Kennzahlen wie Frauenquote, Alter der Mitarbeiter und Einstiegsgehalt wurden die Methoden der Mitarbeiter-Akquise klassifiziert. Außerdem wurde die Situation von Stellenbesetzungszeit und Fachkräftemangel in der Branche erfasst, sowie die Rolle einer ausgeprägten Arbeitgebermarke und Flexibilität im Bezug auf neue Arbeitsmethoden von Homeoffice bis Jobtausch untersucht.
„Wir haben eine ganz besondere Unternehmenskultur!“
Die Ergebnisse zeigen eindeutig: Die Einstiegsgehälter sind immer noch nicht das Hauptargument mit dem Agenturen potentielle neue Mitarbeiter in die Unternehmen locken möchten. Auch Incentives wie Homeoffice, Sabbatical oder flexible Arbeitszeiten sind aus Arbeitgebersicht nicht ausschlaggebend. Vielmehr betrachtet ein Großteil der Interviewten diese Arbeitsmethoden bereits als Standard und sieht sie nicht mehr als besondere Anreize für die Mitarbeitergewinnung.
Besonderes Gewicht wird hingegen auf die Unternehmenskultur gelegt. Neue Mitarbeiter werden danach ausgesucht, inwieweit sie zu den Werten des Unternehmens passen. Die aktuelle Mitarbeiterschaft wird regelmäßig über ihre Befindlichkeit befragt und knapp ein Drittel aller Befragten betonen ausdrücklich die Wichtigkeit von Transparenz und positivem Miteinander im Arbeitsalltag. Fast 80% fördern dafür den Zusammenhalt der Kollegen durch gemeinsame Sport- und Freizeitangebote.
Entsprechend wichtig ist dabei auch die Akquisemethode für neue Fachkräfte. Ein Großteil (80%) der Befragten gibt an, zumindest teilweise unter dem Fachkräftemangel zu leiden. Vor allem Bewerber mit mehrjähriger Arbeitserfahrung, IT- und Grafikexperten werden händeringend gesucht. Neben den klassischen Methoden von Jobmessen und -portalen bis zu den Sozialen Netzwerken und der Agenturwebsite, machen die Personalabteilungen immer mehr positive Erfahrungen mit Empfehlungen durch Mitarbeiter. Ein langwieriges Bewerberverfahren ist dadurch oft nicht nötig.
In allen weiteren Statistiken fallen keine großen Überraschungen auf: Die Frauenquote bei den Mitarbeitern ist erwartungsgemäß hoch. Trotzdem ist es für die Interviewten immer noch erwähnenswert, wenn es die selbe Quote auch in der Chefetage gibt. Untergegangen, weil verständlicherweise von den Interviewten selbst nicht so betont, ist die Frage des hohen zeitlichen Arbeitsaufwandes in Agenturen. So gut wie jede Agentur spricht zwar über vorübergehende Stressphasen, bei denen Überstunden anschließend durch Freizeit ausgeglichen werden. Eine 60 Stunden Woche wird jedoch nie erwähnt.
Wie sich auch in den Interviews gezeigt hat, gibt es heute so viele verschiedene Arten von Agenturen, dass man diese schlecht über einen Kamm scheren kann. Manche bieten flexible Arbeitsprogramme mit Home-Office-Only und Sabbatical an, andere bevorzugen Nine-to-Five Tage. Manche zeichnen sich durch freundliche Büros, andere durch ausgezeichnete Weiterbildung aus. Letztendlich werden wir später als Berufsanfänger, zumindest in den ersten paar Jahren, immer mit relativ niedrigen Löhnen und langen Arbeitszeiten zu kämpfen haben. Dann aber wenigstens im Rahmen einer ausgezeichneten Unternehmenskultur.
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